Köln kommt nur langsam voran



Fachleute fragen sich, was eher zu erwarten ist - die Vollendung der Schutzmaßnahmen oder ein neues Rekord-Hochwasser.

Köln - „Köln ist die Hauptstadt des Hochwassers“, sagt Reinhard Vogt, Leiter der städtischen Hochwasserschutzzentrale in Köln, „und wahrscheinlich die am meisten vom Hochwasser betroffene Großstadt in Europa.“ Schwer vorzustellen angesichts des launigen Titels, den die Hochwasserschutzzentrale der von ihr erstellten Informations-CD gegeben hat: „Et kütt wie et kütt!“ steht da zu lesen, und der Kölner erinnert sich sofort an das berühmte Mundart-Motto in der Domstadt „Et hätt noch immer jot jejange.“

Vor zehn Jahren ist es noch einmal gut gegangen. Weil in den letzten Tagen des Januars 1995 die von den Meteorologen vorhergesagten Regenfälle am Mittelrhein ausblieben, entgingen die Kölner haarscharf einer Katastrophe, als die steigenden Fluten bei einem Pegelstand von 10,69 Metern stoppten. Wenige Zentimeter mehr, und die Altstadt wäre voll Wasser gelaufen und Tausende von Bürgern hätten evakuiert werden müssen. In welcher Zeit und wohin, das wusste damals niemand so recht. In den Wochen nach der Flut saß den Bürgern, den Verantwortlichen in der Stadtverwaltung wie auch den Politikern der Schreck im Nacken, und bereits Anfang 1996 verabschiedete der Kölner Rat einstimmig ein Hochwasserschutzkonzept, das als allgemeine Norm den Schutz vor einem 100-jährigen Hochwasser (also ein Hochwasser, wie es statistisch alle 100 Jahre einmal droht) festschreibt und in besonders gefährdeten Rheinabschnitten, wo sich chemische Industrie und andere besonders zu schützende Anlagen befinden, die Abwehr eines 200-jährigen Hochwassers mit 11,90 Meter am Kölner Pegel vorsieht. Die statistischen Wasserstände in 100-jährigem oder 200-jährigem Rhythmus hält Reinhard Vogt für ausgemachten Blödsinn. Das wiegt die Bürger in falscher Sicherheit, und zudem haben die menschgemachten Veränderungen in der Natur, wie die rasant zunehmende Versiegelung von Böden und der unübersehbare Klimawandel längst neue Fakten geschaffen.

Als Reinhard Vogt im vergangenen Jahr an einer Hochwasserübung in Rheinland-Pfalz teilnahm, errechneten dort Experten die Hochwasserpegel für eine mittlerweile durchaus realistische Gefahrenlage. Sie gingen davon aus, dass eine am Oberrhein entstandene Welle auf ein kräftiges Hochwasser der Mosel trifft. Das ergäbe für den Pegel Köln einen Pegelstand von 12,12 Metern. „Über 11,90 Meter“, so sagt es der Leiter der für die bauliche Hochwasservorsorge zuständige Leiter der Stadtentwässerung, Hubertus Oelmann, „haben wir eine Katastrophe in Köln.“ Mit Schäden, die das Hochwasser dann auf eine Höhe von zehn Milliarden Euro zusammenschiebt.

Als im Sommer des Jahres 2002 die große Flut an der Elbe Milliardenschäden hinterlässt, sieht sich der Kölner Regierungspräsident Jürgen Roters zu einer indirekten Warnung auch an die Stadt Köln veranlasst. Das Hochwasserrisiko habe „erkennbar zugenommen“ und die Wahrscheinlichkeit extremer Niederschläge werde weiter wachsen, erklärt der RP und fordert: „Die aktuelle Hochwasserkatastrophe weist uns nachdrücklich darauf hin, dass wir unsere Anstrengungen zum Schutz der Bevölkerung steigern müssen.“

Sonderlich angestrengt haben sich die Verantwortlichen in Köln bis dahin nach Meinung der Hochwasserschutzgemeinschaft Köln nicht. Sie schreibt in einem Brandbrief an den Oberbürgermeister Fritz Schramma: „Die Kölner Hochwasserschutzgemeinschaft fordert vor dem Hintergrund der ständigen Verzögerungen bei der Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes einen sofortigen Beginn der Entwicklung von Hochwasserschutzvorschriften.“ Als die Schutzgemeinschaft, ein Zusammenschluss mehrerer Bürgerinitiativen in Köln, diese Forderung erhebt, da ist der Beschluss des Rates zum Hochwasserschutzkonzept schon sechs Jahre alt, und keine Maßnahme, die sich aus diesem Konzept ergibt, ist umgesetzt.

Dies ist im Wesentlichen auch die Lage zu Beginn des Jahres 2005. Im Jahre 2004 haben die Stadtentwässerer immerhin mit den ersten sechs Bauabschnitten (der erste liegt in Rodenkirchen) zur Verbesserung des Hochwasserschutzes entlang des Rheins begonnen; in diesem Jahr sollen weitere sechs Teile folgen. Der Bauzeitenplan zur Umsetzung des gesamten, 18 Abschnitte umfassenden technischen Hochwasserschutzes sieht vor, dass 16 dieser Maßnahmen bis Ende 2008 vollendet sein sollen, die zur Absenkung von Hochwasserspitzen überaus wichtigen Retentionsräume in Worringen und im Langeler Bogen freilich erst im letzten Quartal des Jahres 2009.

Die „Hauptstadt des Hochwassers“ wird also gut 14 Jahre nach der großen Flut von 1995 ihre bauliche Hochwasservorsorge fertig gestellt haben. Was die organisatorischen Vorbereitungen anbelangt, etwa das vorsorgende Planen größerer Evakuierungsfälle, wie sie sich nach Schätzungen der besonders engagierten „Bürgerinitiative Hochwasser Altgemeinde Rodenkirchen e. V.“ allein bei einem Hochwasser von 11,30 Metern Kölner Pegel für 250 000 Bürger ergeben, so müssen auch diese erst erarbeitet werden.

Das ergibt sich aus dem Protokoll einer Sitzung der Bezirksvertretung Rodenkirchen vom 15. November 2004. Dort teilte die Verwaltung auf eine Anfrage der Grünen mit: „Vorgesehen ist die Einrichtung einer Projektgruppe, die zur Umsetzung operativer Planungsaufgaben Arbeitsgruppen einrichtet, in denen alle betroffenen Ämter sowie weitere externe Stellen beteiligt werden.“ Und: „Gegenstand der Überlegungen sind unter anderem eine Intensivierung der Planungen für den technischen Hochwasserschutz sowie eine auf den Hochwasserfall bezogene detaillierte Ausarbeitung des allgemeinen Evakuierungsplanes.“ Im Klartext: Ein Jahrzehnt nach der letzten großen Flut gab es noch keine auf die großen Hochwasser bezogenen Evakuierungspläne.

 www.ksta.de/Hochwasser

 

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