Gefahr extremer Hochwasser steigt



Bonn/Köln - Der Pegelstand des Rhein steigt mal wieder - noch erscheint dies nicht bedrohlich - rund 6,50 Meter in Bonn und sieben Meter in Köln werden als vorläufiger Höchststand erwartet. Trotzdem dürften die Anwohner sehr genau hinsehen, schließlich könnten Tauwetter und Regen alle Prognose wieder über den Haufen werfen.

Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass zum letzten Mal eine bedrohliche Hochwasserwelle das Rheinland heimsuchte und erhebliche Schäden anrichtete. Rund 35 Millionen Euro betrug damals allein in Köln der materielle Schaden. Beim Pegelstand von 10,69 fehlten nur wenige Zentimeter, die erneut eine Überschwemmung der Kölner Altstadt zur Folge gehabt hätten. Die Flut vor zehn Jahren hatte die Qualität eines „Jahrhundert-Hochwassers“ - nur 13 Monate nach den Weihnachtstagen 1993, als ebenfalls ein „Jahrhundert-Hochwasser“ die Rheinanlieger heimgesucht hatte.

Zwei Jahrhundert-Fluten innerhalb von 13 Monaten: Während der Großteil der betroffenen Bürger längst wieder zur Tagesordnung übergegangen ist, sagen Wissenschaftler gefährliche Zeiten voraus. Als die Deutsch-Niederländische Arbeitsgruppe Hochwasser die Studie „Grenzüberschreitende Auswirkungen von extremem Hochwasser am Niederrhein in Auftrag gab, erhielt sie eine ernüchternde Antwort: „Im heutigen Zustand kommt es bei den untersuchten extremen Hochwassern am Niederrhein ab einem Abflussbereich zwischen 11 000 bis 16 000 Kubikmeter pro Sekunde zu großräumigen Überflutungen. Hierbei ist der südliche Niederrhein (Großraum Köln / Bonn bis circa Düsseldorf / Dormagen) zuerst betroffen. Mit zunehmender Höhe der Hochwasserscheitel wird auch der mittlere Teil (Düsseldorf / Dormagen bis etwa zur Einmündung der Ruhr) überflutet.“

Zwar gestehen die Verfasser der Studie zu, dass dank der „derzeit laufenden Deichsanierungen in Nordrhein-Westfalen . . . an einigen Stellen das Schutzniveau deutlich angehoben“ wird, doch sagen sie voraus, dass bei extremen Flutereignissen die bedrohten Gebiete lediglich etwas später überflutet werden. „Eine Überflutung kann jedoch nicht verhindert werden.“ Auch räumen die Wissenschaftler mit der Illusion auf, dass eine wirklich schlimme Flutkatastrophe doch erst die Kinder oder Enkelkinder treffen werde. Zwar mögen die Experten keine Aussagen über die Wirkungen der Klimaveränderungen auf den Rhein machen, doch weisen sie darauf hin, dass „allgemein“ davon ausgegangen wird, dass extreme Hochwasser-Ereignisse sowohl „in Abflusshöhe“ als auch in ihrer „Auftretenswahrscheinlichkeit“ in Zukunft zunehmen werden.

Vor diesem Hintergrund müsste es für die Rhein-Anlieger oberstes Gebot sein, sich vor Hochwässern zu schützen, zumal die Wissenschaft den Verantwortlichen mittlerweile präzises Werkzeug an die Hand gegeben hat: eine ausgereifte Meteorologie und genaue Rechenverfahren lassen Zeitpunkt und Höhe von Flutwellen ziemlich präzise vorhersagen. Ebenso verlässlich wissen die Behörden, bei welchem Wasserstand Deiche und Schutzwände überflutet werden und wie weit dann Wassermassen ins Hinterland Flusses strömen. In Katastrophenpläne ist bestens geregelt, wer wo wie viele Sandsäcke auftürmen soll, welche Stadtteile zu evakuieren, wo die Schieber der Kanalisation zu öffnen und zu schließen sind, wo der Strom abgestellt werden muss und welche Gebäude geschützt werden müssen. Jeder Bürger in einem Hochwassergebiet kann sich auf den Fall der Fälle vorbereiten und schon am Bildschirm seines Home-Computers die herannahenden Flutwellen mit verfolgen - eine entsprechende Webseite bietet etwa die Stadt Köln.

Und doch bleibt bei allen technischen und organisatorischen Fortschritten des Hochwasserschutzes die umfassende und länderübergreifende Vorsorge als bislang ungelöste Herausforderung der Gemeinwesen bestehen. Während die Behörden beklagen, dass die von einem Hochwasser betroffenen Menschen sich längst wieder in Sorglosigkeit wiegen, bemängeln Bürgerinitiativen und Naturschützer, dass Kommunen und Länder ihre Aufgaben des vorbeugenden Hochwasserschutzes zu schleppend und zu halbherzig betreiben. Landesregierungen und Behörden wiederum bezichtigen einander, jeweils nur die eigenen Interessen zu berücksichtigen, wenn es etwa darum geht, Retentionsräume zu bauen. Kaum verhohlen steht die Kritik aus Nordrhein-Westfalen, das inzwischen immerhin ein umfangreiches Hochwasserschutz-Programm auf den Weg gebracht und in Köln auch bereits begonnen hat, am Verhalten der rheinauf liegenden Bundesländer, die noch 1995 ihre Rückhaltepolder teilweise nicht öffneten.

Heftige Kritik richtet sich derzeit gegen die Bundespolitiker, die sich bei der Beratung eines nationalen Hochwasserschutzgesetzes nicht gegen die Landwirtschafts- und Grundeigentümer-Lobby durchsetzen konnten. Noch immer wird im Bundesrat dieses Gesetz blockiert, weil einige wenige Bundesländer (und viele Kommunen am Rhein) nicht zulassen wollen, dass mit diesem Gesetz ein generelles Bauverbot in den hochwasserbedrohten Gebieten entlang des Flusses eingeführt wird. Werden jedoch Städte und Gemeinden nicht gezwungen, solche Ansiedlung in Hochwasserzonen zu verbieten, dann ist ein solches Gesetz nach Ansicht der Experten gründlich verwässert.

Wird fortgesetzt

 

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